Klimawandel: Bäume richten mehr Schaden an als sie nützen | STERN.de

2021-11-17 12:41:59 By : Ms. Caprise Gao

Bäume nehmen klimaschädliches Kohlendioxid auf, speichern es und geben Sauerstoff wieder ab. In der Grundschule lernt jedes Kind diesen komplizierten Vorgang auf vereinfachte Weise. Daher ist es sinnvoll, das Pflanzen von Bäumen als eine der Hauptwaffen gegen den Klimawandel einzusetzen. Keine schlechte Idee, aber es fehlt an der Umsetzung des Plans.

Wie neue Studien nahelegen, könnten Politiker bei Baumpflanzinitiativen wie der One Billion Trees Campaign, die Donald Trump unterstützt, einen großen Fehler machen. Forscher aus Stanford und anderen Forschungseinrichtungen verwendeten das chilenische Gesetzesdekret 701, um zu beweisen, was in den Initiativen nicht berücksichtigt wird. Das Gesetz war von 1974 bis 2012 in Kraft und erlaubte es der Regierung, die Wiederaufforstung in Chile mit bis zu 75 Prozent der Anschaffungs- und Betriebskosten zu unterstützen.

Gefördert wurden jedoch nur Projekte, die neue Bäume pflanzten, nicht solche, die versuchten, alte Waldflächen zu erhalten. Als Ergebnis wurde der Ersatz verschiedener Wälder durch rentablere Baumplantagen gefördert und subventioniert. 

Die Forscher beobachteten, dass die von Bäumen bedeckte Fläche zunahm, die Waldfläche jedoch abnahm. Außerdem fanden sie heraus, dass die Plantagen weniger Kohlendioxid speichern können als die konventionellen Wälder. Mit der Reduzierung der Altwaldfläche verringerten sich die CO2-Speichermenge und die Biodiversität der Natur in den Wäldern. Die Lebensbedingungen vieler Tiere änderten sich schnell. Wo früher Rehe im Unterholz verschwanden und Igel in Laubhaufen wühlten, suchten andere Kleintiere Schutz vor ihren Feinden und wildes Gestrüpp trug zum Ökosystem "Wald" bei, stumpfe Baumreihen erstreckten sich nun über Plantagen. Darunter litten natürlich auch die kleinen Pflanzen, es fehlte ihnen an Schutz vor zu viel Sonne und das sensible Zusammenspiel mit anderen Pflanzen im natürlichen System war gestört.

Eine weitere Forschungsgruppe aus China, den USA und Spanien untersuchte Böden in China in Bezug auf Aufforstung und sammelte Daten zum Kohlenstoffgehalt des Bodens. Sie fanden heraus, dass die Aufforstung zwar den Kohlenstoffgehalt des Bodens erhöhte, der zuvor weniger enthielt, aber auch den Gehalt in kohlenstoffreichen Böden verringerte – insbesondere in tieferen Erdschichten. Im Gesamtzusammenhang bestätigten die Forschenden die Überschätzung der CO2-Aufnahme durch die Wälder.

Beide Studien wurden in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“ veröffentlicht und legen nahe, dass das Pflanzen von Bäumen – oder das bloße Anlegen von Baumplantagen mit wirtschaftlichem Zusatznutzen – kein Wundermittel gegen den Klimawandel ist. Vielmehr sollen sich die Menschen den bestehenden Wäldern und deren Erhalt widmen, sie vergrößern und pflegen. 

Naturschutzorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) plädieren für eine natürliche Lösung, um nicht nur das Klima, sondern auch die Biodiversität zu schützen. In Nordrhein-Westfalen, wo vor einigen Jahren ein Orkan große Teile der Wälder verwüstete, wurden viele der Flächen zu Christbaumplantagen. Mehrere 1000 Hektar wurden laut Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW, einfach nicht wiederhergestellt. 

Bäume und vor allem Wälder können ihren Beitrag zur Verbesserung des Klimawandels leisten. Bäume pflanzen ist sicherlich besser als nichts tun, aber die Pflege von Wäldern und deren Ausdehnung sollte viel größer geschrieben werden als die kommerziell beliebte Baumpflanzung auf Plantagen. Die Versuchung, schnell wachsende Baumarten komplexen Ökosystemen wie Wäldern vorzuziehen, ist groß. Dennoch erinnert der NABU auch daran, dass der Erhalt der Wälder das langfristige Ziel sein sollte. Artenschutz und Verlangsamung des Klimawandels können nicht nur mit Baumplantagen erreicht werden.

Quellen: Naturschutzbund Deutschland eV / BBC / Nature Sustainability

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